Mauersegler von Jasmin Schreiber


Wusch, dieses Buch haut einem um. Spätestens ab den letzten 100 Seiten kann man es nicht mehr zur Seite legen, es zieht einen in einen regelrechte Sog.
Es geht um eine große Freundschaft, Ehrgeiz, Dinge, in die man reinschlittert und den Weg zurück nicht mehr findet, Schuld, Trauer und letztendlich auch um bedingungslose Liebe.

Prometheus, die Hauptfigur des Buches, ist ein ambitionierter Krebsforscher und Arzt. Er entflieht der Polizei, aber auch seinem Umfeld und seinen Liebsten, weil er eine Schuld auf sich geladen hat, weil er einen Fehler gemacht hat, den er sich selbst nicht verzeihen und vor niemandem rechtfertigen kann.
Wie ein Mauersegler, deren Flugverhalten Jasmin Schreiber den ganzen Roman hindurch immer wieder thematisiert, war er ein Überflieger, immer in Bewegung, liegt aber aktuell geschwächt auf dem Boden, und schafft es, wie die geschwächten Vögel, aus eigener Kraft nicht mehr, weiterzufliegen. Dazu braucht er fremde Hilfe, er muss in die Luft geworfen werden. Prometheus selbst beschreibt das so:

„Mauersegler haben Füße, die nicht für das Laufen auf dem Boden ausgerichtet sind. In der Luft sind sie graziös und fliegen so elegant daher, aber am Boden sind sie verloren. Wenn ein Mauersegler landet, kann er auch wieder selbst starten. Viele Menschen sagen, dass ein Mauersegler, sobald er einmal gelandet ist, nicht mehr abheben kann, doch das ist Unsinn.“
„Okay, ja.“
„Es sei denn, der Mauersegler ist geschwächt. Etwa weil er sehr alt oder noch zu jung ist, weil er krank ist. Ein geschwächter Mauersegler kommt allein nicht mehr hoch, ist er einmal abgestürzt. Man muss ihn in die Luft werfen, dann kann er weiterfliegen.“

Am Anfang des Romans fährt er was das Zeug hält mit wirren Gedanken im Kopf, Schweißausbrüchen und Todessehnsucht nach Dänemark, landet dort auf einem Ponyhof bei zwei älteren, sehr alternativen, spirituellen, weisen Damen und verbringt dort schlafwandlerische sechs Wochen. Die beiden Damen erkennen, dass mit ihm etwas nicht stimmt und er schuldig ist. Sie verurteilen und bedrängen ihn jedoch nicht, sondern werfen ihn im bildlichen Sinn während der sechs Wochen langsam wieder in die Luft. Sie setzen sich mit ihm auseinander, integrieren ihn in ihre Lebenswelt, stellen ihm diverse Aufgaben; eine der beiden mit Warmherzigkeit, die andere mit einer gewissen Ruppigkeit und Robustheit.
So verarbeitet Prometheus das Geschehene nicht zuletzt mit Hilfe der andersartigen Lebenswelt der beiden und mit vielen Naturerlebnissen, die ihn schon als Kind geerdet haben, von denen er sich aber im Lauf der Zeit immer mehr entfernt hat.

Jasmin Schreibers Roman ist geprägt von Rückblicken in denen sich sowohl die Geschichte einer tiefen Freundschaft aber auch die Geschichte von Prometheus‘ großem Fehler und wie es dazu kam, langsam entfaltet.

Unbedingt lesenswert!!

Schreiber, Jasmin (2021). Der Mauersegler. Eichbaum Verlag in der Bastei Lübbe AG: Köln.

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